zur Startseite

 

 


Everest von U-Turn

Bilder

vom Everest

10.09.2013

Leichtschirme gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. An richtige Bergsteigerschirme wagen sich jedoch nur wenige Hersteller heran. Ernst Strobl, ein Altbekannter aus der Fliegerszene, Geschäftsführer und Konstrukteur von U-Turn, hat diesen Schritt gemacht und einen wirklich tollen Flügel für uns ParaApinisten gebaut.
EVEREST heißt das neue Teil und wird von U-Turn in den Größen 16/ 19/ 21 und 23 m² angeboten. Lt. den techn. Daten wird dabei ein Gewichtsbereich von 50 - 110 kg Startgewicht abgedeckt. Mit einer ausgelegten Streckung von 5,5 liegt er im Bereich der mittleren LTF/EN-B Flügel.
Ich orderte für meine Testflüge einen 23er und lag so mit meinen 98 kg bis 105 kg, je nach GZ und zusätzlicher Ausrüstung, im oberen Bereich, der in den techn. Daten angegebenen 70 - 110 kg Startgewicht.
Nimmt man das Päckchen in die Hand, ist es kaum zu glauben, dass dies ein Gleitschirm mit 23 m² sein soll. Auch das von mir nachgemessene Gewicht von 2,75 kg entspricht den Angaben von U-Turn und ist mehr als genial.
Dieses geringe Gewicht und das kleine Packmaß kam durch einen wirklich durchdachten Materialmix und einer ebenso durchdachten Konstruktion zustande. Während sich U-Turn für das Design, also im hoch beanspruchten Bereich des vorderen Obersegels für das strapazierfähige Skytex 36 entschied, wurde im restlichen Ober und dem gesamten Untersegel das Dokdo 10 von Dominico verwendet. Dieses Dokdo 10 wird auch wie im Bericht von Dave Schneider "gut betucht" im Thermikmagazin 09/13 nachzulesen, nicht nur von Ernst Strobl sondern auch von Michael Nesler und Hannes Papesch als das beste aber auch teuerste zurzeit auf den Markt befindliche Leichttuch favorisiert.
Eine weitere Maßnahme um den Schirm so leicht und ein geringes Packmaß zu bekommen, hat sich U-Turn entschieden alle A und B Leinenansatzpunkte am Profil aufzuhängen. Das spart V-Rippenmaterial und erhöht die Gewichtsverteilung pro Leinenaufhängung am Profil. Das heißt, dass auf das für die Rippen verwendete Skytex 27 „Hard Finish“ deutlich weniger Last pro Leinenaufhängung auf das Material wirkt und somit eine lange Zeit die Profiltreue gewährleistet wird!
Durch die Erhöhung der Leinenansatzpunkte im A und B-Leinen Bereich konnten auch eine Liros DC45 (Dyneema 0,55mm Durchmesser) als Top Leinen einsetzt werden, was nochmal Gewicht und Packmaß Einsparungen mit sich brachte. Der Einsatz von weiteren 7 verschiedenen Leinen und verschiedenen Durchmessern garantiert langen Flugspass  mit dem Everest ohne Trimm Veränderungen!

Bodenhandling: Es fällt natürlich sofort auf, dass der Everest kein Leichtschirm sondern ein richtiger Bergsteigerflügel ist. Besonders die Tragegurte aus 6mm Keflarschnüre die Ozone erstmals um die Jahrtausendwende beim Peak verwendete, kamen hier wieder zum Einsatz. Gewöhnungsbedürftig sind sie allemal, ein Hindernis stellen sie jedoch keinesfalls dar. Die Leinen sind in allen Ebenen unummantelt. Besonders die wenigen Stammleinen des Hybrid Dreileiners fallen wie von selbst auseinander. Die in den oberen Galerien immer dünner werdenden Leinen muss man beim Sortieren allerdings schon im Auge behalten.

Für den Start mit dem Everest braucht der Pilot kein Experte zu sein. Die Kappe füllt sich gleichmäßig bis in die Flügelenden und steigt zwar nicht rasant aber doch recht zügig über den Piloten. Bei normalen Windverhältnissen ist ein Anbremsen kaum nötig. Trotz der etwas höheren V trimm ist die Abhebegeschwindigkeit im leicht "erlaufbaren" Bereich. Was der Everest beim Start nicht mag ist ein Anreißen oder Hineinlaufen in die Leinen. Dies ist auch absolut unnötig, denn die leichte Kappe steigt selbst bei null Wind mit nur leichtem Zug problemlos in den Scheitelpunkt des Piloten.

Was mich mit dem Everest in der Luft erwarten würde, war ich sehr gespannt, denn als Max Kiefersauer von der Flugschule Adventure Sports den Flügel über die Ladentheke schob, gab mir gleich eines mit auf den Weg: "Das ist ein super Gerät, das ist der beste Bergsteigerschirm den es zurzeit gibt". Ich dachte mir: Na Max, schaun wir mal.
Das grottenschlechte Wetter im Frühjahr 2013 erlaubte erst mal keinen Flug mit dem Everest. Dann doch nach einer Woche endlich mal Sonne. Das kleine Päckchen in meinen Rucksack, das weitere nötige Equipment noch dazu, und siehe da, der Platz der noch übrig bleibt ist doch größer als sonst.

Nicht überrascht hat mich das wie oben beschriebene wunderbare Startverhalten, genau so wenig das feine und direkte Handling des Everest. Geflogen bin ich den 23er mit unterschiedlichen Gurtzeugen, auch Schlaufengurtzeuge und einem Startgewicht von 98 - 105 kg. Der Everest reagiert auf Steuerimpulse absolut präzise und verzögerungsfrei. Die erste Überraschung für mich war dann aber die Steigleistung in der Thermik. Trotz der relativ hohen Belastung von 4,5 kg/m² hatte ich gegenüber den aktuellen Flügeln überhaupt keine Nachteile, ganz im Gegenteil, bei kleinflächiger Thermik durch den kleinen Kurvenradius sogar Vorteile. Der Steuerdruck liegt dabei anfänglich im mittleren Bereich und nimmt nach gut 20 cm progressiv zu. Durch die gute Wendigkeit reichen diese 20 cm für den normalen Thermikflug jedoch völlig aus. Das Feedback des Flügels ist trotz guter Rolldämpfung, sowohl auf die Bremse als auch auf das Gurtzeug ausgesprochen gut.

Die nächste Überraschung die der Everest zu bieten hatte war seine Gleitleistung. Bei meinen 13 Flügen mit dem Everest, musste ich immer wieder feststellen, dass der Flügel ein richtig gutes Gleiten an den Tag legt, besonders bei meinen Hochtouren auf den Gabler und dem Wilden Freiger in Richtung Süden wo es jeweils ein recht weiter Weg bis zum Talschluss ist, kam ich durchwegs deutlich höher an wie mit den bisher geflogenen Bergsteigerflügeln Die Trimmgeschwindigkeit lag dabei bei gut 40 km/h, mit dem Speedsystem legt der Everest nochmal etwa 10 - 12 km/h zu.

Abstiegshilfen: Der Everest lädt eigentlich mehr zum Fliegen als zum Absteigen ein. Dennoch hab ich diese auch ein wenig ausprobiert und bin zu folgendem Ergebnis gekommen. Der B-Stall geht anfänglich recht schwer zu ziehen. Liegt sicherlich auch an der etwas höheren Flächenbelastung und dass bei Dreileinern (auch Hybrid) die B-Ebene oft näher am Druckpunkt liegt. Nach wenigen Zentimetern Zug reißt die Strömung sauber ab, der Flügel taucht nur wenig nach hinten ab und geht in einen stabilen Sinkflug über. Der maximale Sinkwert lagen dabei bei erstaunlichen 9,5 Meter. Bei der Ausleitung nimmt der Flügel ohne Verzögerung sofort wieder Fahrt auf und nickt dabei mäßig weit nach vorne.

Die Einleitung der Steilspirale geht mit dem Everest recht zügig. Für eine Sinkgeschwindigkeit von über 14m/s braucht der Flügel keine 2 Umdrehungen, auch 18 - 20m/s sind mit dem Everest recht bald erreicht. Auch bei hohen Sinkgeschwindigkeiten ist eine saubere Ausleitung problemlos durch leichtes Nachdrücken der Innenseite kurz vor dem Ende der Spirale möglich. Eine Neigung zur stabilen Spirale konnte ich nicht feststellen.

Bei provozierten Klappern bis zur Hälfte des Flügels stellt der Everest keine großen Ansprüche. Der Flügel ist gut kontrollierbar und mit wenig Bremse leicht auf Kurs zu halten. Bei Klappern von 60% und mehr geht der Everest etwas auf die Nase und öffnete dann durchwegs schlagartig ohne einen Gegenklapper zu kassieren.

Resümee: Ziel von Entwickler Ernst Strobl war es einen echten Bergsteigerschirm zu bauen der sich von den heute auf dem Markt befindlichen Produkten deutlich abhebt. Das ist ihm mit dem Everest auch bestens gelungen. Dabei gelang es ihm nicht nur einen Flügel mit wenig Gewicht in die Welt zu setzen, sondern ihn auch in Sachen Steig und Gleitleistung in dieser Kategorie auf die Überholspur zu bringen. Dazu noch ein einfaches Startverhalten, ein ausgewogenes Verhältnis von Wendigkeit und Rolldämpfung und nicht zuletzt ein Materialmix der Langlebigkeit verspricht, machen den Everest nicht nur Hochtouristen, sondern für jeden der gerne mit wenig Gewicht zum Fliegen geht, interessant. Max hatte jedenfalls Recht behalten und ich freu mich für ihn und nicht nur für ihn :-)

Ergänzung: Auch wenn sich der von mir getestete 23er im Klappverhalten recht gutmütig zeigt, eine gute Rolldämpfung und eine eher geringere Streckung aufweist, ist der Flügel keine Option für Anfänger und Wenigflieger. Die Größen 19/21 und 23 liegen, lt. Ernst Strobl, bei Vollbelastung im unteren EN/LTF-C Bereich, bei niedriger und mittlerer Belastung im oberen EN/LTF-B Bereich.

Weitere Infos auf der U-Turn Everestseite

Anmerkungen:

  • Das von der Flugschule Adventure Sports zu Verfügung gestellte Gerät war ein Prototyp. Die auf den Bildern wegstehenden Fäden die im Bereich der Leinenvernähungen sichtbar sind, ist nicht etwa schlampige Arbeit, diese Vernähungen wurden länger gelassen um sie für Tunings besser entfernen zu können. Bei den Seriengeräten wird das natürlich ein sauberer Abschluss.